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ARNOLDS ERBEN

oder

Wie sieht Demokratie aus

ARNOLDS ERBEN

oder wie sieht Demokratie aus

Auf monatlichen Dorf- oder Waldspaziergängen informieren sich Anwohner und Interessierte über die Entwicklungen im Rheinischen Braunkohlerevier. Indem sie öffentlich machen, was in der Region gefährdet ist und mit der Unterstützung durch Aktivisten können sie 5 Dörfer vor dem Abriss retten – bis auf das Dörfchen Lützerath. Bei ihren Recherchen sind sie auch auf die Tradition des Wachszins gestoßen, die dem heiligen Arnold gewidmet war, der die Grundlage für die Allmendewirtschaft geschaffen hat, eine nachhaltige Wirtschaftsform die sich über mehr als tausend Jahre bewährt hat.

Dokumentarfilm
Regie: Thomas Meffert | D 2025 | 107 Min | FSK 0

Dann hat man mal gesagt: Das ist aber nicht schön, dass ich hier umsiedeln muss. Dann hat man auch gehört, dass ältere Menschen besonders leiden, oder dass sich jemand erhängt hat. Das gab es alles. Aber dass jemand gesagt hat: Wenn ich etwas erzähle, dann hört da auch jemand zu, das gab es nicht.

Norbert Winzen | Anwohner Keyenberg

Was der Film zeigt

Über Jahrzehnte fühlten sich die Menschen der Region ohnmächtig gegenüber der geballten Macht von Industrie (RWE) und Politik. Sie wussten, dass eines Tages die Kohlebagger kommen würden und sie aus ihren Wohnungen und von ihrem Land vertreiben würden und ihre Vorfahren aus ihrem Grab umgebettet würden. Für sie war es eine ständige Hängepartie: Wann muss ich raus, wann kommt der Bagger?

Mit großem Interesse verfolgten sie die Aktionen von Klimaschützern im und um den Hambacher Wald. Das gab Mut selbst noch einmal zu testen, ob es nicht doch Möglichkeiten gäbe der drohenden Vertreibung etwas entgegen zu setzen. So bildeten sich Gruppen aus unterschiedlichen Zusammenhängen: Da taten sich Dorfbewohner zusammen, um ein gemeinsames Stückchen Land nicht dem Konzern zu überlassen (Menschenrecht vor Bergrecht), da bemühten sich Christen die Schöpfung und auch ihre Kirchen zu bewahren (Die Kirche(n) im Dorf lassen) und nahmen auch bald Kontakt zu anderen Braunkohlebedrohten Regionen auf (Alle Dörfer bleiben).

Aktivisten kamen dazu und ihnen wurden Schlafmöglichkeiten geschaffen Lützi bleibt! (heute: Lützi lebt!) oder Unser aller Wald, die sich Baumhäuser im nahe gelegenen Wäldchen errichteten. Zusammengebracht wurden die verschiedenen Gruppen immer wieder durch Dorf- und Waldspaziergänge, die interessierte Unterstützer aus den benachbarten Städten Köln, Bonn, Aachen, Mönchengladbach und Düsseldorf über den Fortgang der Ereignisse informiert wurden und fachkompetente Teilnehmer Hintergründe erklärten. Nach dem Abriss einer Straße, die die Dörfer verbindet bildete sich auch noch eine Mahnwache Lützerath, die zum festen Anlaufpunkt für alle Interessierten wurde.

Durch die inhaltliche und historische Aufarbeitung der Braunkohle und ihrer Folgen wurde auch wieder Arnold und der ihm gestiftete Wachszins entdeckt. Der heilige Arnold von Arnoldsweiler (früher Ginnizweiler) hatte zur Zeit Karls des Großen den Bewohnern der Region den Zugang zu einem großen Waldgebiet und dessen moderate Nutzung gesichert, womit eine Hungersnot abgewendet werden konnte. Wichtig war dabei, dass in den Allmenderegeln festgelegt war, dass der Wald nur nachhaltig genutzt werden durfte, was ihm ein Überleben für mehr als tausend Jahre gesichert hat.

Die heutigen Kämpfe können nicht die Durchsetzungskraft für sich beanspruchen wie damals Arnolds Aktion. Der Kampf um Lützerath hat es zwar in die Weltpresse gebracht, aber das Dorf wurde mit Riesenaufwand geräumt und in Windeseile abgebaggert. Die fünf Nachbarorte wurden aber gerettet, genauso wie das Dorf Morschenich am Hambacher Wald. Für die Anwohner stellt sich weiter die Frage nach der Gestaltung der Zukunft der Dörfer.

Trailer

Das Bergrecht

 

Gold, Silber oder Kohle … Bodenschätze haben schon immer Begehren geweckt und die Machthaber dazu verleitet den Daumen drauf zu halten. Gesamtstaatlich wurde das erstmals 1865 von Preußen mit dem Allgemeinen Berggesetz umgesetzt. Die Folge war ein Kaiserreich und der Erste Weltkrieg. 1937 wurde dieses Gesetz dann von den Nazis den modernen Bedingungen angepasst. Die Folge war ein Zweiter Weltkrieg. Nachdem auch der Zweite Weltkrieg verloren war, musste das Bergrecht dem §14 des Grundgesetzes (Eigentum, Erbrecht, Enteignung) angepasst werden. Das Zauberwort war Allgemeinwohl. Unter Allgemeinwohl verstand man zum Beispiel die Sicherung von Arbeitsplätzen, besonders gern in Bergbau und Industrie. Doch wie sieht es mit den Menschen vor Ort aus?

Video Bergrecht

Das Allgemeinwohl ist immer diese sichere, preiswerte, subventionsfreie Stromversorgung. Wir sind aber jetzt ein bisschen weiter, wir sind im Jahr 2019 und die Erkenntnisse sind ganz andere und ich hoffe, dass es endlich mal mutige Gerichte gibt und mutige Richter sagen die Definition von Allgemeinwohl hat sich vielleicht geändert. Vielleicht ist das Allgemeinwohl der Schutz des Klimas, der Schutz der Lebensgrundlagen, der Schutz unserer aller Zukunft.

Michael Zobel | Waldführer

 

RWE vernichtet die Dörfer, die Wälder und fruchtbaren Ackerboden, als könne man so etwas irgendwo einfach mal neu kaufen. Solarkraftwerke auf der selben Fläche bringen Strom wieder und wieder und wieder

Barbara Oberherr |Anwonhnerin Keyenberg

Arnold

Der Legende nach hat ein Arnold aus Ginnizweiler (zwischen 922 und 1168 nach ihm umbenannt in Arnoldsweiler) – der als Harfenspieler und Sänger am Hof von Karl dem Großen lebte – Karl während einer Jagd gefragt, ob Karl ihm das Stück Land schenken würde, das er während der Mittagspause umreiten könne. Der hatte den Ritt mit Bauern aus der Umgebung vorbereitet – Ersatzpferde standen an verschiedenen Punkten bereit – und der übergab nach erfolgter Umrundung eines großen Waldgebiets den Dörfern der Umgebung die Nutzungsrechte (Bürge) an dem Wald. Die Allmenderegeln zur Nutzung des Waldes gaben den Dörfern über mehr als tausend Jahre eine soziale Absicherung. Ein Musterbeispiel für eine nachhaltige Landnutzung.